Wissenschaftliche Studie zur digitalen Transformation von KMU, Einzelhandel und Vereinswesen im ländlichen Raum, am Beispiel des Landkreises Rottweil

Die digitale Transformation zählt zu den prägenden sozioökonomischen Entwicklungen des 21. Jahrhunderts. Sie beeinflusst Wertschöpfungsprozesse, Kommunikationsformen und gesellschaftliche Teilhabe. In strukturschwächeren Regionen ist der Handlungsdruck besonders hoch, digitale Infrastrukturen auszubauen und digitale Kompetenzen zu fördern. Diese wissenschaftliche Studie zielt darauf ab, anhand des Landkreises Rottweil exemplarisch Potenziale, Herausforderungen und Handlungsperspektiven der Digitalisierung im ländlichen Raum zu analysieren. Sie adressiert insbesondere kleine und mittlere Unternehmen (KMU), Einzelhändler und zivilgesellschaftliche Organisationen.

1. Einführung: Digitalisierung als gesamtgesellschaftlicher Transformationsprozess

Der digitale Wandel ist nicht nur ein technologischer Innovationsprozess, sondern ein vielschichtiger Transformationsprozess, der Wirtschaft, Arbeitswelt, Bildung, Verwaltung und zivilgesellschaftliche Akteure betrifft (vgl. Brynjolfsson/McAfee 2014; Krcmar 2015). In ländlichen Räumen stellen infrastrukturelle Defizite, ein Mangel an Fachkräften sowie eingeschränkter Zugang zu digitaler Weiterbildung strukturelle Herausforderungen dar (BMWK 2023).

Diese Studie untersucht, inwieweit digitale Potenziale im Landkreis Rottweil nutzbar gemacht werden können und welche Chancen sich durch regionale Plattformlösungen wie LOCALgenie ergeben.

2. Theoretische Grundlagen und konzeptuelle Einordnung

2.1 Digitale Transformation in KMU

KMU zeichnen sich durch hohe Flexibilität, jedoch oft durch geringe Ressourcen im Bereich IT-Infrastruktur und Personalentwicklung aus (IfM Bonn 2022). Der „Digital Maturity Index“ zeigt, dass besonders KMU im ländlichen Raum Nachholbedarf bei strategischer Digitalisierung haben (vgl. Bitkom Research 2021).

2.2 Digitalisierung im Einzelhandel

Der stationäre Einzelhandel ist einem disruptiven Strukturwandel durch E-Commerce und verändertes Konsumverhalten unterworfen. Laut HDE (2022) betrachten 67 % der Einzelhändler die Digitalisierung als Überlebensfaktor.

2.3 Digitalisierung im Vereinswesen

Zivilgesellschaftliche Organisationen spielen eine tragende Rolle für sozialen Zusammenhalt. Digitalisierung kann administrative Prozesse erleichtern, aber auch neue Formen digitaler Partizipation ermöglichen (vgl. Bertelsmann Stiftung 2020).

3. Status quo im Landkreis Rottweil

Die digitale Infrastruktur wird im Rahmen des Landesprogramms „Gigabit Region“ kontinuierlich ausgebaut. Dennoch bestehen Disparitäten in der Breitband- und Mobilfunkversorgung (vgl. Breitbandatlas BW, 2023).

Zwar verfügen viele Akteure über Webseiten oder Social-Media-Kanäle, jedoch mangelt es oft an strategischer Integration digitaler Lösungen in Geschäftsprozesse. Die Nutzung von Automatisierung, Cloud-Diensten oder KI ist kaum verbreitet. Der Digitalisierungsgrad im Vereinswesen ist noch geringer, was häufig auf mangelnde Qualifizierungsangebote zurückzuführen ist.

4. Akzeptanzfaktoren und Barrieren im ländlichen Raum

4.1 Diffusionstheorie nach Rogers (2003)

Laut Rogers hängt die Adaption technologischer Innovationen von Faktoren wie Relativer Vorteil, Kompatibilität, Komplexität, Testbarkeit und Beobachtbarkeit ab. Für KMU im ländlichen Raum bedeutet das: Digitalisierung muss als klarer Nutzen vermittelt, verständlich umgesetzt und lokal verankert werden.

4.2 Ressourcenabhängigkeit

Fehlende zeitliche, finanzielle und personelle Ressourcen stellen ein Hemmnis dar (vgl. Acatech 2022). Auch kulturelle Faktoren – etwa Skepsis gegenüber Automatisierung oder KI – beeinflussen Transformationsprozesse negativ.

4.3 Digital Divide

Digitale Spaltung betrifft nicht nur Infrastruktur, sondern auch Bildung und Medienkompetenz (vgl. van Dijk 2005). Gerade Vereine benötigen niederschwellige Zugänge zur digitalen Teilhabe.

5. Künstliche Intelligenz als Beschleuniger der digitalen Transformation

KI-Technologien können Prozesse automatisieren, personalisierte Kundenansprache ermöglichen und strategische Entscheidungen unterstützen (vgl. PwC 2023). In KMU kann KI z. B. zur automatisierten Texterstellung, Kundeninteraktion (Chatbots), Ressourcenplanung oder Analyse von Geschäftskennzahlen eingesetzt werden.

Im Vereinskontext kann KI bei der Mitgliederkommunikation, Eventplanung oder Förderantragserstellung unterstützen. Studien belegen, dass der Nutzen von KI umso höher ist, je passgenauer sie in bestehende Strukturen integriert wird (vgl. Fraunhofer IAO 2022).

6. Chancen durch regionale Plattformlösungen: Das Beispiel LOCALgenie

LOCALgenie bietet als digitale Infrastrukturplattform fünf strategische Entwicklungsperspektiven:

a) Niedrigschwelliger Zugang

  • Technisch vorbereitete Module für Website, Mitgliederverwaltung und Social Media
  • Zugang zu KI-basierten Anwendungen ohne technisches Vorwissen

b) Regionale Sichtbarkeit und Identitätsbildung

  • Darstellung regionaler Anbieter auf dem Marktplatz
  • Lokale Kampagnen zur Kundenbindung und Nachwuchsförderung

c) Förderung von Kooperation und kollektiver Innovation

  • Plattform für Wissenstransfer, Erfahrungsaustausch und intersektorale Vernetzung
  • Digitale Events, Webinare und Community-Formate

d) Kompetenzaufbau durch Qualifizierung

  • Zusammenarbeit mit der DIACOM Akademie
  • Vermittlung digitaler und KI-spezifischer Kompetenzen über blended learning

e) Fördermittelberatung und Nachhaltigkeit

  • Unterstützung bei Anträgen (z. B. Digitalbonus BW, ZUG-Digital)
  • Verstetigung der Maßnahmen durch regionales Netzwerk

7. Schlussfolgerungen und Ausblick

Die digitale Transformation im ländlichen Raum bedarf eines systematischen, lokal verankerten Ansatzes. Die Studie zeigt, dass gezielte Infrastrukturmaßnahmen, individuelle Begleitung und niedrigschwellige Plattformlösungen zentrale Erfolgsfaktoren darstellen.

LOCALgenie bietet ein praxisnahes Modell zur Überwindung struktureller Barrieren, zur Stärkung regionaler Innovationsfähigkeit und zur aktiven Teilhabe an digitalen Entwicklungen. Zukünftig sollte das Modell durch wissenschaftlich begleitete Evaluationen weiterentwickelt und auf andere Regionen übertragbar gemacht werden.

Literaturverzeichnis (Auswahl)

  • Acatech (2022): KI in der Praxis. München: Deutsche Akademie der Technikwissenschaften
  • Bertelsmann Stiftung (2020): Digitalisierung im Ehrenamt. Gütersloh
  • Bitkom Research (2021): Digital Office Index 2021
  • BMWK (2023): Digitale Regionen – Handlungsempfehlungen
  • Brynjolfsson, E./McAfee, A. (2014): The Second Machine Age. New York
  • Fraunhofer IAO (2022): KI und Mittelstand – Implementierung und Nutzen
  • HDE (2022): Digitalisierung im Einzelhandel
  • IfM Bonn (2022): Digitalisierung in kleinen Unternehmen
  • Krcmar, H. (2015): Informationsmanagement. 6. Aufl. Berlin: Springer Gabler
  • PwC (2023): KI-Readiness Index
  • Rogers, E. (2003): Diffusion of Innovations. 5th Edition. New York: Free Press
  • van Dijk, J. (2005): The Deepening Divide. London: Sage

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